Auf in die Werkstatt: (Frei)Raum für Praxisfragen

Es ist wichtiger, Fragen stellen zu können, als auf alles eine Antwort zu haben.
James Thurber

Wie können wir als Kanzleiteam effektiv und trotzdem gemeinsam offenen Fragen klären, sei es zu konkreten Problemen in der Buchführung oder im sonstigen Tagesgeschäft? Wie können wir dabei einen einheitlichen Standard sicherstellen und die Wissensweitergabe unter unseren Mitarbeitern anregen und sie dazu befähigen, voneinander zu lernen und vom Wissen jedes Einzelnen zu profitieren?

Unsere Antwort: Ein regelmäßig stattfindendes Format mit Werkstatt-Charakter. Wir treffen uns zum Beispiel einmal in der Woche für maximal eine Stunde zu unserer Buchhaltungswerkstatt. Anhand konkreter Praxisfälle diskutieren wir Fragen, die immer wieder im beruflichen Alltag auftauchen. Der Pflichttermin für jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter lebt von der Interaktion aller Beteiligten.

Natürlich begegnen sich die KollegInnen im Kanzleialltag, allerdings meist auf informeller Ebene. Idee der Buchhaltungswerkstatt ist es, einen nachhaltigen fachlichen Austausch der Mitarbeiter zu organisieren. Wir teilen in dieser Runde Best Practices, diskutieren Lösungsvorschläge für Probleme, solange sie noch klein sind, werten aber auch miteinander Erfolge aus. Es ist unsere Plattform, über die wir gemeinsam auf alle in der Kanzlei vorhandenen Fälle zurückgreifen und daraus etwas lernen können.

Jeder kann seine Fragen und Probleme mitbringen und den KollegInnen vorstellen. Jeder soll, jeder muss sich einbringen! Dieses Format funktioniert ein wenig wie eine Bühne, die jeder Mitarbeiter betreten darf und soll. Dabei stellen sich vor allem im Kleinen erstaunliche Aha-Effekte ein. Innerhalb kürzester Zeit konnten wir beobachten, wie unsere Mitarbeiter über sich hinauswachsen und feststellen, wie viel Freude es macht, das eigene Wissen in einer Runde weiterzugeben, in der dieses Know-how auf fruchtbaren Boden fällt. Denn unabhängig von der Branche – beim Mandanten geht es schlussendlich immer nur darum, dass etwas funktioniert. Wie kniffelig der Weg dahin auch ist, interessant ist für den Kunden nur das Ergebnis. Das jedoch ist im Kollegenkreis anders. Untereinander geht es gerade um die kleinen Kniffe und Tricks, die cleveren Abkürzungen anstelle umständlicher Wege mit hoher Komplexität. Durch die gemeinsame Diskussion profitieren alle.

Wir hielten auch vor Einführung dieser Werkstatttreffen interne Weiterbildungen ab. Hierbei störte mich jedoch zunehmend die „Konsumentenhaltung“ meiner Mitarbeiter, die sich ganz ohne ihr Zutun einschlich. Als Kanzleileitung bereiteten wir Themen und Termine vor, unsere Mitarbeiter hörten sich brav an, was wir zu sagen hatten. Ein Austausch, wie ich ihn mir vorstellte, kam jedoch nicht zustande.

Nun entwickeln wir gemeinsam eine Agenda, die natürlich stets offen bleibt für aktuelle Anliegen. Denn dieses Format lebt auch von Abwechslung. Gleichzeitig ist somit jedoch gewährleistet, dass reihum jeder Mitarbeiter aktiv mitarbeitet und regelmäßig Aufgaben und Verantwortlichkeiten übernimmt. Der Werkstatt-Charakter macht es möglich, dass keiner zu klein oder fachlich zu unerfahren ist, um eine aktive Rolle auf dieser Bühne zu übernehmen.

Entscheidend für die Einführung eines solchen interaktiven Meetings sind zwei Dinge: Erstens Aufmerksamkeit. Sich gerade als Unternehmensführung bewusst Zeit für diesen Termin zu nehmen, spiegelt den Mitarbeitern dessen Wichtigkeit. Wir achten streng darauf, diese Zeit nicht anderweitig zu verplanen und diesen Termin nur in absoluten Ausnahmefällen ausfallen zu lassen.

Zweitens braucht es dazu eine Haltung in der Führung. Gute Qualität muss für alle an erster Stelle stehen. Darüber hinaus bedeutet diese Haltung aber auch, Mitarbeiter zu Beteiligten zu machen. Ein solches Format kann nur im Miteinander entstehen. Achtsame Vorbereitung statt verwirrende Statements sind für jeden ein Muss. Dieses Kommunikationstraining ist wirkungsvoll und hilft allen, Sachverhalte und Ergebnisse klarer und fokussierter zu präsentieren. Darüber hinaus lernen wir nicht nur voneinander, sondern nehmen auf diese Weise auch die unterschiedlichsten Branchen in Angriff. Angefangen bei der Baubranche, über die Pflege bis hin zu ärztlichen Leistungen oder Fragen zur Einkommensteuer – langweilig wird es in dieser wöchentlichen Runde nie. Denn Steuerberatung bedeutet Veränderung.

Ein solches Format zu entwickeln, lohnt sich auf jeden Fall, ganz gleich welchen Schwerpunkt und Namen man dem Ganzen gibt. Und keine Angst: Man läuft nicht Gefahr, dass eines Tages die Themen ausgehen. Zu guter letzt bietet dieses Format vor allem in kleineren Unternehmen einen nicht zu unterschätzenden Nebeneffekt: Als Chefin oder Chef sind Sie sehr nah dran an den Mitarbeiterthemen, bekommen Ängste und Sorgen frühzeitig mit. Unsere Donnerstagsrunde ist zwar ein Pflichttermin. Dennoch absolvieren wir ihn alle jede Woche mit einer großen Leichtigkeit, weil es ein echter Arbeitstermin ist und kein weiteres zeitraubendes Meeting, das niemand braucht.

Quelle: Ines Scholz: Go digital: Neues Denken in der Kanzleiführung. Mit 48 Workhacks den Datenschatz heben